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Online-Diskussion mit Hennig Beck (Neurobiologe)

Henning Beck ist Autor des Buches „Hirnrissig“. Susanne (1. Vorsitzende von sii-kids) sprach mit ihm während seiner Buchbesprechung auf lovelybook.de folges:

susmiso schreibt:
Das ist ja spannend! Als Initiatorin unseres Vereins sii-kids & -talents (www.sii-kids.de), der hochbegabte und besonderes kreative Kinder findet und fördert, interessiert mich die Hirnforschung an sich immens. Mir fallen viele Fragen ein. Welche stelle ich? Einfach diese: Was ist am Gehirn von Hochbegabten (IQ 130+) anders, als am „normalen“ Hirn? Arbeitet wirklich nur der „Arbeitsspeicher“ (Frontalhirn) schneller, oder denken HB auch vernetzer? Was bedeutet dies für das Lernen in der Schule (dies ist vielleicht die wichtigste Frage, dessen Antwort Lehrern und Schülern helfen könnte)? Gerne würde ich dazu einen Gastbeitrag von Ihnen in meinem kleinen Vereins-Ratgeber aufnehmen! Aber nun möchte ich ersteinmal Ihr Buch gewinnen!!! viele Grüße Susanne

Liebe Susanne,
viele Fragen, ich versuche in aller Kürze und doch ausführlich genug zu antworten.

Hochbegabte Gehirne arbeiten tatsächlich „anders“: Sie sind bei kognitiven Aufgaben weniger aktiv, setzen weniger Energie um. Vermutet wird, dass die Impulsübertragung besonders effizient ist.

Intelligente Gehirne denken in aller Regel weniger vernetzt. Das klingt komisch, liegt aber daran, dass sie relativ einfache Aufgaben besonders schnell und effektiv in kleinen Netzwerkgrüppchen berechnen lassen.
Anders gesagt: Wenn schon einfache Probleme weit verteilt im Gehirn mit vielen Netzwerken bearbeitet werden müssen, kostet das Zeit und wird unpräzise. Intelligente Hirne nutzen nur das Nötigste, das aber sehr effektiv.

Wenn die Aufgaben komplizierter werden, beherrschen intelligente Hirne einen Trick besonders gut: Sie synchronisieren den vorderen und hinteren Hirnbereich besonders gut. Aktuelle Theorie dazu (wird immer besser durch Experimente bestätigt):

Das Problem muss erkannt werden, das passiert im hinteren und oberen Bereich des Gehirns (hinten die Sehzentren, die nicht nur die Bilder erkennen, sondern auch schon Muster formen) – Problem muss schnell nach vorne ins Stirnhirn geleitet werden (passiert bei Intelligenten wohl besonders schnell, da diese Datenleitung gut ausgebaut ist) – im Stirnhirn wird das Problem abstrahiert, mit Lösungsmöglichkeiten verglichen – eine Lösung wird ausgewählt, indem die falschen Lösungen blockiert werden. Dieses Wechselspiel (von hinten nach vorne und wieder zurück) scheint bei Intelligenten besonders schnell zu funktionieren. Vermutet wird, dass das Netzwerk besonders leistungsfähig verknüpft ist: lokale Grüppchen, gut verknüpft, wenige Knotenpunkte, die schnell lange Distanzen überbrücken.

Was das für die Schule bedeutet? Intelligenz findet man nicht in einer bestimmten Hirnregion (einem Intelligenzmodul), sondern ist eine breite Eigenschaft des Gehirns. Hochbegabung lässt sich leider nicht trainieren, doch man kann dem Gehirn neue Information besonders schmackhaft machen. Indem man Sie in ungewohntem Kontext präsentiert (das erleichtert die Einbettung in viele Netzwerke gleichzeitig und die Information geht nicht so leicht verloren, siehe Mythos n°10 im Buch). Indem man praktischen Nutzen sichtbar macht (das Gehirn will immer einen Zweck in den Dingen sehen, macht es leichter, sich was zu merken). Indem man lustig und mit Spaß, auch albern lernt (denn unser „Glückszentrum“ ist nur aus diesem Grund entstanden, Neues zu lernen, siehe Mythos n°12 im Buch).

Oha, ich komme ins Plaudern…
Reicht Ihnen das erstmal als Antwort?

susmiso

Vor einem Augenblick

@HenningBeck

Hallo Henning,

interessant! Was Du oben ausführst unterstützt, meines Erachtens, die These, dass das Hirn von Hochbegabten schneller abschaltet, wenn es sich langweilt, da es ja sowieso bereits auf „Sparflamme“ läuft und nicht alle Ressourcen des Gehirns nutzt.

Deswegen wirken manche HB sicherlich oft so verträumt! Wer nichts zu tun hat, schläft halt – in diesem Fall das Hirn.

Andererseits vermuten viele, das manch ein Hochbegabter länger zum Überlegen UND Antworten braucht, da er erst alle Aspekte einer Frage (z.B. in der Schule) betrachtet und analysiert (= vernetztes Denken). Meint auch: Schüler, die nicht sofort antworten, sind noch lange nicht unwissend, sondern denken einfach weiter und über vieles zur gleichen Zeit nach. Was eben etwas länger dauert, aber zu falschen Vermutungen (z.B. seitens der Lehrer) führt. Was sagst du zu dieser Theorie?

Ach, dazu gibt sooo viel zu diskutieren und zu fragen … Vielleicht führen wir im Anschluss an Deine Freitagsfragerunde mal ein richtiges Interview (Online), ggf mit Diskussionsrunde über eine Videokonferenz? Auf unserem Vereinsblog?

Melde Dich doch mal direkt bei mir: kontakt@sii-kids.de

viele Grüße
Susanne

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