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Stress, Angst und Sorgen im Schulalltag (Buchbeitrag)

Lehrkräfte und Schüler:innen stehen im Schulalltag ständig unter Stress. Was sind die Auslöser und welche Folgen haben Stress, Angst und Sorgen für Gesundheit und Wohlbefinden? Wie können alle Beteiligten dennoch leistungsfähig sein, Kreativität und Persönlichkeit entfalten und Schulentwicklung betreiben?

In diesem Community-Buchbeitrag beleuchten die Autoren Susanne Braun-Speck und Niels Winkelmann ab Seite 31 die Ursachen für Stress, Angst und Sorgen und nennen Lösungsansätze und Ideen, was geändert werden kann. Das erste Feedback dazu kam von einer Schulleiterin: “Toller Artikel, den Ihr geschrieben habt! Genau das ist die Situation, die ich ebenfalls wahrnehme, besonders auch an beruflichen Schulen. Gerade Freitag haben wir über die Notwendigkeit der Verstärkung von Schulsozialarbeit, Coaching und Beratung an Berufsbildenden Schulen gesprochen.” :-)

Wer diesen Beitrag im Zusammenhang lesen möchte, kann sich das Community-Buch (geschrieben von 19 Autoren) kostenfrei als PDF herunterladen und zwar hier. Als E-Book ist es auf Amazon zum kleinen Preis verfügbar.

Direkt lesen? Geht auch, siehe unten, aber ohne Statistiken und weitere Bilder.


Über die Autoren des hier genannten Beitrages:

Susanne Braun-Speck ist Referentin für digitale Bildung, Vereinsvorstand und -Projektleiterin, sowie Content- & Webentwicklerin, Autorin – aus SH. Seit 1996 bewegt sie sich in der IT- & Medien-Branche, seit 2011 im Schulumfeld, und bringt entsprechend eine große Bandbreite an Erfahrungen mit.

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E-Mail:                       s.braun-speck@sii-kids.de
Website:                    sii-kids.de, media4Schools.de
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Niels Winkelmann ist Lehrer für katholische Religion, Deutsch und Mathematik sowie WPK / Seminarfach Medien an einem niedersächsischen Gymnasium; Fachredaktionsleiter Religion bei wirlernenonline.de; Ersteller von Kursen für das NLQ. Und auch Autor des Buchbeitrages „Persönlichkeitsbildung“

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Beitragstext „Stress, Angst und Sorgen im Schulalltag“

Lehrkräfte und Schüler:innen stehen im Schulalltag ständig unter Stress. Was sind die Auslöser und welche Folgen haben Stress, Angst und Sorgen für Gesundheit und Wohlbefinden? Wie können alle Beteiligten dennoch leistungsfähig sein, Kreativität und Persönlichkeit entfalten und Schulentwicklung betreiben? In diesem Beitrag haben wir Ursachen beleuchtet sowie Lösungsansätze und Ideen genannt.

Positiver Stress setzt Kräfte frei!

Bei positivem Stress sind wir in Fahrt, hochmotiviert und haben ein Ziel vor Augen, das einen tieferen Sinn hat oder einfach Spaß macht. Positiver Stress beflügelt und lässt uns Unglaubliches vollbringen. Er treibt uns an, lässt uns Hürden überspringen, setzt Endorphine frei und hochbegabte Köpfe strahlen – positive Herausforderungen machen Freude!

Bei Vielen von uns (Lehrkräften, Schüler:innen und Eltern) ist der Alltag aber von negativem Stress, Angst und Sorgen geprägt. Die Ursachen sind sehr individuell und lassen sich nicht einfach durch Yoga oder andere Entspannungs-Methoden auflösen. Tatsächlich ist der Rat, sich zu entspannen, oft kontraproduktiv, weil er suggeriert, Stress sei nur mit Verhaltensänderung zu lösen. Dabei gibt es jeden Tag systemisch-bedingte Stressauslöser. Entspannung kann Resilienz steigern, packt das Problem aber nicht an der Wurzel. Wir müssen die Perspektive ändern:

Symptome behandeln ist oberflächlich und bringt wenig. Die Ursachen müssen angegangen werden.

Stress macht krank und mindert die Leistungsfähigkeit.

Positiver Stress, aber auch sporadischer negativer Stress ist normal und völlig unproblematisch. Eine dauerhafte Überlastung mindert aber nicht nur die Lebensqualität, sondern kann unsere Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen.

Der Begriff „Stress“ beschreibt, laut Statista.com und der Techniker Krankenkasse, eine natürliche und evolutionär bedingte Reaktion des Menschen auf Bedrohungssituationen. Um einer gefährlichen Lage zu entkommen schüttet der menschliche Körper Stresshormone aus, die kurzfristig die körperliche Leistungsfähigkeit erhöhen, um auf Gefahren für das eigene Leben durch Kampf oder Flucht reagieren zu können.

Im modernen Alltagsleben sind Kampf und Flucht jedoch höchst selten akzeptable Verhaltensweisen. Die Menschen können in schulischen Situationen auch schlichtweg nicht fliehen – sie müssen aufgrund der Schulpflicht oder des Arbeitsrechts diese Situationen aushalten, ob sie wollen oder nicht. Daher reagieren sie oft mit Reizbarkeit, sind launisch, aggressiv oder „kämpfen“, wenn auch überwiegend verbal – auch gegeneinander oder nach unten innerhalb der Hierarchie.

Die Folgen von Stress sind vor allem Schlafprobleme, Müdigkeit und eine entsprechend geminderte Leistungsfähigkeit aller Beteiligten. Für Schüler:innen bedeutet das insbesondere schlechte Noten – was den Druck noch mehr erhöht. Burnouts und Depressionen entwickeln sich oft schleichend. Einige Betroffene reagieren mit Hautausschlägen auf Stress; andere bekommen regelmäßig grippale Infekte, Bauchschmerzen oder Magen-Darmprobleme. Stresshormone, die vermehrt ausgeschüttet werden, schaden auf Dauer dem Herz-Kreislauf-System, weshalb vor allem Blutdruck und Schlaganfallrisiko steigen.

Der Dauerstress von Lehrkräften wird häufig thematisiert. Der Druck auf Schüler wird dagegen unterschätzt und seltener erwähnt. Fakt ist aber: „Unser Körper reagiert in einer Prüfungssituation prinzipiell genauso wie unter Lebensgefahr“, erklärte Veronika Engert, Leiterin der kürzlich am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) gestarteten Forschungsgruppe „Psychosozialer Stress und Familiengesundheit“. Die Nebennieren schütten dann verstärkt Adrenalin und das Stresshormon Kortisol aus – damit wird klar, warum selbst die begabtesten Schüler:innen oft keine guten Noten abliefern können. Angst und Stress hemmen ihre Leistungsfähigkeit!

Circa 50% der Lehrkräfte & Schüler:innen haben Stresssymptome.

Bereits 2017 litten, laut einer DAK-Studie, 47% der Schüler:innen unter Stress. Durch die Corona-Pandemie nahm der Stress nochmal erheblich zu, insbesondere aber auch Erkrankungen wie Depressionen. Aktuell löst der Ukraine-Krieg vermehrt Angst aus und erhöht den emotionalen Stress.

Laut dem Schulbarometer und der Robert-Bosch-Stiftung litten die Lehrkräfte im Frühjahr 2022 unter körperlicher Erschöpfung (62%); etwa die Hälfte nennt als weitere Beschwerden mentale Erschöpfung (46%), innere Unruhe (45%) sowie Nacken und Rückenschmerzen (43%).

Stressfaktoren und Angstauslöser in Schulen gibt es viele.

Der sehr lebendige Alltag in der Schule; Lehrpläne und zusätzliche Termine, die einzuhalten sind; der Lautstärkepegel in Klassenzimmern, Stress mit Pubertierenden oder durch Personalmangel; Mobbing und Feindschaften untereinander; besondere Herausforderungen durch (inter-) nationale Krisen; unzählige Kontaktpunkte und Projekte; Entscheidungen im Sekundentakt – all das löst Stress, Angst und Sorgen aus!

Stress entsteht von morgens bis abends durch unzählige Touchpoints in der Schule, aber auch vor und nach dem Unterricht.

Im Marketing werden „Touchpoints“ genutzt, um Kontakt zu (potentiellen) Kunden oder Bewerbern herzustellen, um sie zu finden und anzuwerben, zu binden oder zu informieren – auch digital. Touchpoints in Schulen und nach dem Unterricht gibt es viele – sie werden so stark genutzt, dass sie regelmäßig Stress auslösen.

Alleine der Weg von einem Raum zum anderen, vom Lehrer- zum Klassenzimmer oder zu Fachräumen, besteht aus unzähligen Touchpoints. Besonders in den Unterrichtsräumen ist es oft chaotisch und laut; alle bewegen sich durcheinander. Ängstliche Kinder stehen dann mit dem Rücken zur Wand und wissen nicht, wie sie sich schützen sollen. Lehrkräfte werden ständig von Schüler:innen angesprochen – oder von Kolleg:innen, die „nur kurz mal“ Etwas besprechen möchten. Das stresst.

Auch im Lehrerzimmer gibt es keine Ruhe, nicht in der Mensa beim Essen, in den Klassenzimmern sowieso nicht. Pausen, die der Erholung dienen sollen, sind kaum möglich. Diese Lebendigkeit lieben einige Lehrkräfte und Schüler:innen besonders. Aber Menschen sind verschieden, nicht alle können das ertragen. Hochsensible Personen und Kinder mit ADHS oder anderen kognitiven Besonderheiten halten das kaum aus.

Auch nach dem Unterricht hört der Stress nicht auf. Die Arbeitszeit der Lehrkräfte und Schüler:innen (mit ihren Eltern) ist mit Unterrichtsschluss nicht zuende – es stehen Hausaufgaben und Projektarbeiten an; Klassenarbeiten müssen korrigiert, Elterngespräche geführt, an Weiterbildungen teilgenommen werden. Die Arbeitsbelastung ist beinahe stetig zu hoch und um die Arbeit zu erledigen, wird eigentlich Ruhe benötigt.

Doch: durch die digitalen Touchpoints ist der Stresspegel in den letzten Jahren noch einmal gestiegen.

Zu den Telefonaten mit Kolleg:innen, Projektanbietern oder Eltern sind unzählige E-Mails hinzugekommen, die kaum noch zu bewältigen sind. Weiterhin gibt es jetzt Lern-Management-Systeme, Messenger- und Chatgruppen, in denen digital kommuniziert wird. Insbesondere Messenger-Gruppen kennen weder Uhrzeit noch Stoppzeichen – hier wird oft wertvolle Zeit für sinnlose, nicht zielführende Themen verschwendet.

Diese vielzähligen, vor allem digitalen Kontaktpunkte lassen keinen Moment des Herunterkommens, des In-sich-Ruhens und geistigen Erholens zu. Tag für Tag.


Raumgröße, -klima und -akustik sind oft problematisch

Lehrer- und Klassenzimmer sind meistens viel zu klein und eng und bieten keinerlei Erholungsmöglichkeit. Rückzugsräume fehlen in der Regel vollständig. Die Bauten sind nicht akustisch gedämmt, der Lärmpegel entsprechend hoch, wodurch eine stetige Reizüberflutung herrscht.

Wenn also in zu kleinen Klassenzimmern sehr viele Individuen zu nah beisammen sitzen, entweder in stickiger Luft oder zu Corona-Zeiten wegen offener Fenster frierend, dann reicht das schlechte Raumklima schon, um Stress auszulösen.

Wenn dann noch der Flur zu eng ist (ein Fluchtweg für den Notfall, der laut Sicherheitsbestimmungen freizuhalten ist), um dort Jacken, Mäntel und Sportbeutel aufzuhängen, sind diese Stolperfallen im Klassenraum nicht nur eine Unfallgefahr, sondern auch Stressfaktor, da sicheres Bewegen unmöglich ist! Bedeutet: Jeder Gang vom Sitzplatz zur Tafel löst Stress aus.

Dazu kommt der Faktor „Mensch“, hier Kinder ab fünf, sechs Jahren, die gemeinsam für eine eindrucksvolle Geräuschkulisse sorgen können. In akustisch nicht gedämmten Klassenräumen kann es schon ohne absichtlich störende Schüler:innen belastend werden. Das ist natürlich auch eine Gewohnheitsfrage, mit der Zeit nehmen viele Menschen Umgebungsgeräusche weniger wahr. Aber grundsätzlich ist der Geräuschpegel in Schulen purer Stress – für Lehrkräfte und Schüler:innen. Geräuschempfindliche, hochsensible Menschen werden dadurch häufiger krank, da sie keine Möglichkeit haben, sich in der Schule davor zu schützen.

Wohlbefinden und damit eine entspannte Lern- und Lehr-Umgebung gibt es also schon aufgrund der architektonischen Bedingungen kaum.

Es gibt durchaus moderne Raumkonzepte, die zeigen, dass es anders geht, dass in Schule eine sinnhafte Innenarchitektur möglich ist. Groß, modern, hell und luftig, mit Lerninseln und Chill-Ecken – welch ein Traum! Der Raum als dritter Pädagoge wird spürbar, heißt es in einem Blogbeitrag der Bundeszentrale für politische Bildung. Digitale Endgeräte? Ja, auch die gehören in ein modernes Klassenzimmer, sodass der digitale Raum als „vierter Pädagoge“ wirksam werden kann.

An dieser Stelle mal bemerkt: Zwar streiten sich die Experten darüber, ob Mobilfunk, WLAN, etc. der Gesundheit schaden oder nicht – die Industrie verneint das natürlich. Aber: Die unmittelbare Nähe zu elektronischen Geräten kann Kopfschmerzen sowie Konzentrationsmangel auslösen und Menschen reizbar machen. Router und WLAN-Verstärker müssen nicht in Klassenzimmern stehen. Bisweilen sitzen Schüler aber direkt vor dem Router oder Verstärker, dabei wird ein Mindestabstand von 1,5 Metern empfohlen. Mehr dazu im Blogbeitrag: https://media4schools.de/wlan-klassenzimmer/


Schulalltage sind für alle Beteiligten sehr stressig.

Besonders verbeamtete Lehrkräfte sind in einer sicheren beruflichen Situation und müssen keine Angst vor Jobverlust haben. Dennoch können einige ihren Arbeitsalltag kaum ertragen, da sie im Minutentakt auf ihr Umfeld reagieren müssen.

Ständig Entscheidungen treffen zu müssen und Unvorhersehbarkeiten zu begegnen, ist psychischer Stress!

Jede Handlung, die nicht auf einer Routine basiert, erfordert eine Entscheidung, wofür unser Gehirn arbeiten muss. Vielleicht ist es deswegen auch so, dass Lehrkräfte dazu neigen, dozierend vor Klassen zu stehen. Beim Frontalunterricht können sie einer Routine nachgehen, die sie einfach nur abspulen. Routinen sind dazu da, Abläufe und Prozesse auf menschliche Art und Weise zu automatisieren und damit zu vereinfachen. Schon lange (2006) spricht Herbert Gudjons, Professor an der Universität Hamburg, Fakultät Erziehungswissenschaft, daher von der „Lehrerbedürfnis-Befriedigung“, da der Lehrervortrag als Teil des Frontalunterrichts vor allem das Sicherheitsbedürfnis der Lehrenden befriedigt. „Frontalunterricht macht vor allem den Lehrern Spaß“, führt Gudjons aus, und ist in der Breite oft noch die zentrale Unterrichtsform.

Das, obwohl in Fachkreisen nach der Hattie-Studie der Wert von Frontalunterricht und direkter Instruktion neu diskutiert wurde und wird (siehe Beitrag auf Deutschlandfunk.de). So zeigt besonders der Umgang mit Heterogenität, dass Frontalunterricht im Gleichschritt Lernenden immer weniger gerecht wird.

Ein konstruktiver Umfang mit Heterogenität […] erfordert neue Lernformen und eine Abkehr vom Frontalunterricht!

Vor allem leiden Schüler:innen im Frontalunterricht! Es ist eine regelrechte Qual für Kinder und Jugendliche, Stunde um Stunde, 5 Tage in der Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr, zum Stillsitzen und Zuhören gezwungen zu werden, wenn vorne Lehrkräfte stehen, die routiniert strikt nach Lehrplan vorgehen. Dozierenden zuhören zu müssen (auch an der Uni) ist ermüdend (siehe MDR-Beitrag) und deswegen schwer zu ertragen. Und was schwer zu ertragen ist, stresst!

Es ist purer Stress, als Grundschüler noch den angeborenen Bewegungsdrang von Kindern zu haben, der unterdrückt werden muss. Daran, dass Schüler:innen still und ruhig am Platz sitzen und zuhören, arbeiten Lehrkräfte unaufhörlich – was sie natürlich auch stresst. Regelmäßiges Ermahnen stresst alle Beteiligten und stört den Unterrichtsablauf.

Kinder sind voller Bewegungsdrang und das ist gut so!

Bewegung ist gesund und in einer digitalen Gesellschaft, in der viele Kinder nachmittags nicht mehr auf den Spielplatz gehen oder in den Wald laufen, sondern am Handy oder PC daddeln, ist Bewegungsförderung ein Muss. Wie viel schöner wäre das Schulleben, wenn Lehrkräfte ihren Schüler:innen den Freiraum geben könnten, sich genug bewegen zu können und selbst aktiv zu sein?

Bewegung baut Stress ab und fördert die Konzentration!

Durch Bewegung und Sport werden Stresshormone wieder abgebaut, es gelangt mehr Sauerstoff in die Zellen und der Stoffwechsel kommt in Fahrt. Während auch Blutzucker und Blutfette weniger werden, steigt die Produktion von Glückshormonen insbesondere Endorphin und Serotonin. Glückliche Schüler:innen zu haben, wie wäre das?

Auch hierbei kann Bewegung helfen: Da sind noch die lauten und in einigen Jahrgängen (pubertätsbedingt) besonders frechen Schüler:innen, die den Lehrkräften und entspannteren Klassenkameraden:innen fast jeden Schultag zur Hölle machen. Sich untereinander Streiten, Lehrkräfte provozieren und herabwürdigen, herumlaufen, am Handy oder sogar mit einem Feuerzeug spielen – was ist noch so Alltag im Klassenzimmer? Was sind weitere kleine Übel, die den Unterricht für alle zur Qual machen? Bewegung macht Freude, baut Testosteron bei Pubertierenden sowie Stress ab, und fördert die Konzentration.

Wenn wir wissen, dass das Konzentrationsvermögen bei Kindern bei 10 bis 20 Minuten liegt; bei 16- bis 18jährigen bei 30 Minuten – warum handeln wir anders und fordern täglich von Schüler:innen, dass sie sich stundenlang konzentrieren?

Doch es gibt noch viel mehr Stress- und Angstfaktoren…

Lehrpläne zwingen Lehrkräfte dazu, den Stoff durchzuziehen und sich selbst und ihren Schüler:innen ständig Druck zu machen. Dabei verursachen sie nicht nur Stress und Angst, sondern rauben den Schüler:innen auch ihre Kreativität, den Raum zum freien Denken.

Natürlich setzen die Vorgaben von außen ebenso wie vorgegebene Termine die Lehrkräfte unter Druck. Und es gibt auch Menschen, die ein wenig Druck brauchen, damit sie überhaupt etwas leisten und nicht nur ziellos durch den Alltag trudeln. Zudem leben wir in einer Leistungsgesellschaft, in der wir „abliefern“ müssen. Aber muss das sein? Durch unsere digitale Lebens- und Arbeitswelt sowie ständige Veränderungen ist unser Leben sehr komplex geworden und die alltägliche Informationsflut überreizt uns. Uns – alle Beteiligten im Schulumfeld!

Doch einige Stressfaktoren sind hausgemacht: Es muss doch nicht sein, dass Schüler:innen auch am Wochenende Hausaufgaben erledigen, eine Arbeit direkt am Montag schreiben oder den Sonntag brauchen, um die Projektarbeiten zu erledigen!? Wir wissen doch, dass Freiraum, Freizeit und Erholung wichtig sind, um leistungsfähig sein zu können.

Kurzum: Lehrkräfte können durch gut durchdachte Terminierung für Klassen- und Projektarbeiten sowie Hausaufgaben, den Druck und Stress bei Schüler:innen mindern. Sie werden es ihren Lehrkräften danken!

Ja und dann gibt es noch Stressfaktoren, über die wenig gesprochen wird:

Mobbing und Feindschaften untereinander.

Mobbing sind Handlungen mit bösen Absichten, die vorsätzlich durch einen oder mehrere Personen gegen einen Menschen gerichtet sind. Beim Mobbing gibt es mindestens einen Täter, ein Opfer, die Mitläufer und den Rest der Gruppe. Das Opfer ist meistens eine einzelne Person, die sich nicht dagegen wehren kann.

Während Erwachsene aus Missgunst und Neid, oder weil sie einfach jemanden nicht leiden können, gezielt schlecht über Kollegen reden, sie verleumden und mobben, werden Kinder verbal ausfällig und grenzen Andere aus, weil sie nicht darüber nachdenken; weil sie nicht wissen, was das anrichtet; weil niemand Stopp ruft und eingreift.

An anderen Stellen in diesem Buch ist darüber umfangreich geschrieben worden – hier findet ihr wichtige Anregungen. Holt euch externe Anbieter ins Haus, falls diese Situationen euch und eure Ressourcen überfordern. Aber lasst es nicht auf sich beruhen, wenn Schüler:innen von anderen ausgegrenzt und gemobbt werden. Hört zu, macht die Augen auf, seht, was passiert und was so ein unsoziales Verhalten aus Eurem Kollegium und den Schüler:innen, minderjährigen Schutzbefohlenen, macht.

Schulentwicklung sollte mit Teamentwicklung anfangen.

„Vormachen – Nachmachen“ ist die einfachste Methode des Lehrens und Lernens, entsprechend sollten Lehrkräfte und Schulleitungen mit gutem Beispiel vorangehen:

Ein Kollegium, das in zwei Lager geteilt ist und sich gegenseitig bekämpft, ist ein enormer Stressfaktor. Lehrkräfte müssen keine Einzelkämpfer sein. Auch muss keine Schulleitung alleine da stehen. Personalführung und Teamleitung sind in Fortbildungen und Coachings lernbar. Jedes Kollegium möchte ein gutes Miteinander, auch wenn der Weg dorthin bisweilen lang ist. Kollegium und Schulleitung haben als Team auf Augenhöhe Vorbildfunktion. Die ganze Schulgemeinschaft muss zusammen daran arbeiten, dass der Schulalltag weniger stressig und angstauslösend ist.

Gemeinschaft macht uns stark und stressresistent. Alle.

Wie schön wäre es, wenn bei inhaltlichen Auseinandersetzungen alle sachlich bleiben und zielorientiert an Lösungen arbeiten würden? Anstatt persönlich zu werden? Wie wäre es mit einer positiven Streitkultur?

Wie gut würden sich Schüler:innen und Eltern fühlen, wenn sie wirklich und tatsächlich, und nicht nur scheinbar, an Veränderungen beteiligt wären? Ja, es gibt Schulen, welche echte Kooperation auf allen Ebenen leben. Aber oft werden Schüler:innen nicht mehr als unbedingt notwendig involviert und Eltern als Gegenspieler betrachtet. Das sorgt für Stress und Angst.

Wir Lehrkräften sollten uns immer wieder bewusst machen, dass viele Schüler:innen und Eltern Angst davor haben, Kritik zu üben oder auch nur Vorschläge für Veränderungen zu machen. Sie haben Angst vor den Folgen: vor Diskriminierung ihrer Kinder und schlechten Noten.

Stress, Angst und Sorgen durch Mobbing, Hass und Hetze können durch eine Teamarbeit auf allen Ebenen vermieden werden!

Worüber noch gesprochen werden muss, ist der Personalmangel sowie die besondere Herausforderungen durch äußerliche Faktoren

Was haben die Ereignisse der letzten 3 Jahre für Stress, Angst und Sorgen ausgelöst?

Es gibt immer wieder Zeiten, in denen alle Beteiligten, Lehrkräfte und Schulleitungen, Schüler und Schülerinnen, sowie deren Eltern neuen Herausforderungen gegenüberstehen, die sie selbst nicht ausgelöst oder forciert haben. Corona kam beispielsweise völlig unerwartet und löste neuartige Probleme aus, die ein Höchstmaß an Kreativität und Lösungskompetenz erforderte sowie den Willen und die Offenheit für Neues – für digitale Bildung.

Plötzlich funktionierte keine Routine mehr – nichts war mehr wie vorher. Der bekannte Schulalltag blieb aus; es gab Lockdowns, welche den Kindern und Jugendlichen ihren gewohnten Tagesablauf nahmen; dafür sorgten, dass sie oft monatelang alleine vor Bildschirmen in ihrem Kinderzimmer saßen, wo viele depressiv und übergewichtig wurden. Lehrkräfte hatten kein „Rezept“ dagegen, ihre wohl bekannten Routinen nutzen hier nichts. In ihrem eigenem Stress konnten sie den Problemen durch „Lockdowns“ und „Corona-Regeln“ kaum pädagogisch wertvoll begegnen und/oder bemerkten viel zu spät, was all das für Schüler:innen auch emotional bedeutete.

Wer hat sich denn am Anfang darüber Gedanken machen können, als alle Beteiligten an technischen, strukturellen und organisatorischen Lösungen arbeiten mussten, um Homeschooling zu ermöglichen? Wer hat rechtzeitig bemerkt, welche Angst manche Kinder durch Corona hatten und wie Jugendliche unter dem Alleinsein zuhause litten?

2022 wurden die Folgen statistisch erfasst und ausgewertet. Die Corona-Lockdowns waren Stress, Angst und Sorgen pur, die negativen Folgen wirken auf Jahre!

Musste es so kommen? Oder hätte mehr Teamarbeit zwischen Lehrkräften und Eltern das besser machen können?

Es ist absolut unverständlich, dass nicht in jeder Schule die Eltern mit Berufen im Technik-, Informatik- oder Medienumfeld sofort einbezogen wurden. Sie hätten viel mit ihrem Knowhow helfen können; sie hätten Unterricht auf Distanz deutlich erleichtern und stressfreier mitgestalten können. Aber ihr Knowhow wurde nicht abgefragt und sehr selten eingeladen, an Lösungen mitzuarbeiten oder durch Weiterbildungen zu helfen.


Fachleute aus der Elternschaft in die Schulen zu holen, senkt den Stress und verbindet.

Jetzt aktuell (Winter 2022/23) haben wir an den Schulen hunderttausende Schüler:innen, welche mit ihren Eltern vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind. Sie fühlen sich oft nicht wohl in dem für sie fremden Land; einige sind traumatisiert, haben Schlimmes gesehen oder selbst erlebt; viele leben in Gemeinschaftsunterkünften und habe keine eigenen „vier Wände“. Diese Schüler:innen sind oft voller Angst und Sorgen (um ihre Familienmitglieder, die in der Ukraine geblieben sind; ihre Zukunft) und empfinden ihre aktuelle Lebenssituation als stressig.

In der Schule sollen sie nun aber, wie alle anderen, funktionieren und sich eingliedern. Das ist aber insbesondere wegen der Sprachbarriere wirklich schwierig. Genauso ist es schwierig für Lehrkräfte, Schüler:innen mit Deutsch als Zweitsprache (sofern sie überhaupt schon ein Wort Deutsch sprechen) einzubinden und zu lehren.

Nicht nur ukrainische Geflüchtete sorgen für Herausforderungen und Stress im Schulalltag, sondern natürlich auch all die anderen Kinder und Jugendlichen, die verschiedenste Sprachen sprechen.

Hier gibt es technische Lösungen, die helfen können. Einige ukrainische Schüler:innen sitzen in Klassenräumen und nehmen dort über digitale Endgeräte am ukrainischen Distanzunterricht teil. Diese werden den ukrainischen Schulabschluss machen, nicht den Deutschen. Nach diesem Distanz-Unterricht müssen die Schüler aber zu den DAZ-Kursen gehen und Deutsch lernen. Andere nutzen im Unterricht phasenweise Übersetzungs-Apps, um Texte zu verstehen und eigene Beiträge zu gestalten. Schritt für Schritt nehmen sie mehr auf Deutsch am Unterricht teil.

Für andere Lösungen brauchen wir mehr Personal und kleinere Lerngruppen. Aber beides ist nicht einfach so zu bekommen, ganz im Gegenteil: die Situation verschärft sich aufgrund steigenden Lehrkräftemangels und steigender Schülerzahlen.

Das sorgt für noch mehr Stress, Angst und Sorgen.

Am Ende geht jeder anders damit um!

Es gibt Menschen, die begegnen allen Herausforderungen mit Tatendrang und Lösungskompetenz. Sie stürzen sich freudig auf die Probleme und  entwickeln Ideen und Ansätze, wie es gehen kann. Sie blühen in stressigen Situationen sogar auf und sind froh, der langweiligen Routine entkommen zu können.

Doch die meisten Menschen lieben ihre Routine und sträuben sich gegen aufgedrängte oder notwendige Veränderungen. Einige reagieren aggressiv, sind missgelaunt und teilen verbal aus – bis hin zu Lehrkräften, die Schüler:innen „fertigmachen“. Auch das gibt es, auch wenn Viele darüber nicht öffentlich sprechen wollen.

Andere reagieren mit Rückzug und entziehen sich der ganzen Problematik, in dem sie sich in Routinen flüchten oder den Stress einfach auf die Schüler:innen übertragen. Dabei kommt dann oft Wochenend-Lernzeit heraus, kurzfristige Abgabetermine, unangekündigte Tests. Das löst Stress, Angst und Sorgen bei den Schüler:innen aus – und ist nicht pädagogisch wertvoll.

Wem der Stress in Schule zu viel wird, wer Burnout-Symptome hat, wird oft auch lange Zeit krankgeschrieben. Das entlastet die jeweilige Person, doch dadurch wird der Stress für den Rest des Kollegiums und die Schüler:innen noch viel stärker.

Es müssen unbedingt Lösungen entwickelt werden, welche Stress, Angst und Sorgen bei allen Beteiligten in Schule senken! Denn Fakt ist:

Stress, Angst und Sorgen machen Geist und Körper krank und ersticken Kreativität und Leistungsfähigkeit; sie nehmen uns Raum und Zeit für freie Persönlichkeitsentfaltung, Schulentwicklung und zielorientiertes, pädagogisch wertvolles Wirken.


Handlungsoptionen

Grundsätzlich gilt: Ursachen müssen behoben, anstatt Symptome gemildert werden. Unabhängig von Bürokratie-Abbau sind Ansätze und Ideen folgende:

Stress im Arbeitsumfeld und Kollegium senken:

  • Stärkt die Gemeinschaft! Setzt dafür auf kollegiale, teamorientierte Zusammenarbeit auf allen Ebenen in Augenhöhe > zwischen Schulleitung und Kollegium, ebenso mit Schüler:innen und Eltern; bindet auch Externe jederzeit, insbesondere in Krisenzeiten, ein.
  • Setzt Personal auf Zeit und externe Fachleute für besondere (IT-) und/oder einfache (Büro-) Aufgaben ein. Es gibt sie, sie sind keine Lehrkräfte, müssen es aber auch nicht sein.
  • Entwickelt gemeinsam Lösungen, anstatt nur Kritik üben.
  • Seid offen für Neues, Veränderungen & lebenslanges Lernen.
  • Handelt konsequent und sofort bei Mobbing und Ausgrenzung, sowohl unter Lehrkräften, wie unter Schülern > es gibt viele externe Anbieter, welche sogar kostenfrei Workshops und Projekttage dazu anbieten.
  • Managt Projekte und Vorhaben digital und strukturiert sie klar, erlernt dafür auch Projektmanagement-Methoden und gebt diese auch an Schüler:innen weiter.
  • Senkt die Anzahl der Touchpoints, vor allem im digitalen Umfeld (z.B. nur das LMS nutzen, nicht auch einen Messenger auf dem Smartphone) und mit klaren Regeln und Zeiten strukturieren; Telefonate vermeiden, da sie oft länger dauern als ein E-Mail-Austausch; etc.

Stress im Unterricht und bei Schüler:innen senken:

  • Dämmt Klassenzimmer; durch akustische Decken- und Wanddämmungen, Trennwände, Vorhänge, etc.
  • Ermöglicht regelmäßig Bewegungspausen im Unterricht
  • Werdet zum agilen Lernbegleiter, statt ein allwissender Dozent zu sein, der alles bis ins Detail vorbereitet hat.
  • Gestaltet Unterricht für eigenständige Schüler:innen, lockert dafür Lehrpläne und gebt mehr Zeit für freie Entfaltung.
  • Baut den Leistungsdruck bei Schüler:innen ab; durch vorausschauende Terminplanung, keine Wochenendarbeit, weniger inhaltliche Vorgaben, keine künstlichen Wettkämpfe um gute Noten.
  • Schützt hochsensible und krankheitsbedingt unkonzentrierte Schüler:innen (AD(H)S), Hochbegabte, etc.), B. durch das Tragen von schalldämmenden Kopfhörern und das Ermöglichen von Rückzug z.B. in gesonderte Räumlichkeiten.
  • Achtet auch auf Stress, Ängste und Sorgen der Eltern, diese kämpfen oft mit Arbeitsüberlastung und Existenzängsten, was sich auf ihren Stresspegel auswirkt und deren Kinder belastet.

Du hast weitere Ideen, welche Stress, Angst und Sorgen senkt? Sende sie uns gerne an: community-buch@sii-kids.de


Quellen: